Buchen sollen Erdöl ersetzen, so UPM-Geschäftsführer Michael Duetsch von der Bioraffinerie Leuna

Seit elf Jahren laufen die Vorbereitungen. Jetzt kann UPM-Geschäftsführer Michael Duetsch der Bioraffinerie in Leuna beim Wachsen zusehen. FOTO: ANDREAS STEDTLER, UNIVERSITÄT MAGDEBURG

Zukunftsland Sachsen-Anhalt

Buchen sollen Erdöl ersetzen, so UPM-Geschäftsführer Michael Duetsch von der Bioraffinerie Leuna

Chemie: Der finnische Konzern UPM baut in Leuna eine einzigartige Bioraffinerie.

Wenn die Zivilisation aus Deutschland verschwinden würde, hätten wir 85 Prozent Buche. Es ist der natürliche Baum in Deutschland“, sagt Michael Duetsch. Und es ist der Baum, der am größten ostdeutschen Chemiestandort in Leuna den Wandel weg von der auf fossile Rohstoffe wie Erdöl und -gas angewiesenen Petrochemie hin zur Biochemie einläuten soll. Einer Chemieindustrie also, die auf nachwachsende Rohstoffe setzt, wie eben Bäume.

Buchenholz wird vollständig umgewandelt

Duetsch ist Geschäftsführer des Leunaer Ablegers von UPM. Der finnische Konzern baut auf 12,5 Hektar im Norden des Chemiestandorts eine Bioraffinerie. „Eine einzigartige Anlage“, wie der Chef mit Stolz in der Stimme erklärt. „Das Besondere ist, dass wir fast sämtliche Komponenten des Holzes verarbeiten.“ Die Buche besteht vor allem aus drei Bestandteilen. Xylan, ein Vielfachzucker. Lignin, der Stoff, der für die Festigkeit der Pflanzen sorgt. Und Zellulose, die bisher vor allem als Grundstoff der Papierindustrie bekannt ist. Diese organischen Verbindungen will die Firma UPM in seinen Anlagen künftig zu chemischen Zwischenprodukten umwandeln, die die klassischen Einsatzstoffe etwa in Reifen oder Kunststoffen ersetzen sollen – mit viel geringeren C02-Abdruck.

Bioraffinierie im Wandel

Holz aus Waldpflege und Sägewerken für die Bioraffinerie

Elf Jahre hätten die Vorbereitungen dafür gedauert, berichtet Duetsch. Nun kann er dabei zusehen, wie das Vorhaben Bioraffinerie in die Höhe wächst: „Jetzt passiert gerade unheimlich viel. Ich gehe einmal die Woche über die Baustelle und sie sieht jedes Mal anders aus.“ 600 bis 700 Arbeiter sind aktuell mit dem Bau beschäftigt. Für die Büros, Aufenthalts- und Lagerräume der beteiligten Firmen ist nebenan ein mehrstöckiges Containerdorf entstanden. Aus der bisherigen Brachfläche ist so binnen Monaten ein dreidimensionales Gebilde aus noch unverkleideten Stahlgerüsten von Gebäuden, Rohrbrücken und den in der Chemieindustrie obligatorischen Edelstahlbehältern, Aggregaten, Reaktoren in allen möglichen Größen gewachsen. Die Bauteile kämen von Firmen aus Asien und Europa, berichtet der Geschäftsführer.

Inbetriebnahme für 2023 geplant

Eigentlich sollte die Bioraffinerie schon in diesem Dezember ihren Betrieb aufnehmen. Doch Corona machte UPM einen Strich durch die Rechnung. Weil Lieferketten gestört und manche Planungen ob der benötigten Rechenleistung eben nicht aus dem Homeoffice möglich waren, verschob der Konzern Anfang 2022 den geplanten Produktionsstart auf Ende 2023. Zugleich erhöhte sich die benötigte Investitionssumme von 550 auf 750 Millionen Euro.

„Die Buche ist der natürliche Baum in Deutschland.“
Michael Duetsch, UPM-Geschäftsführer

Angesichts des Baufortschritts ist Duetsch optimistisch, dass der neue Starttermin gehalten werden kann. Teilanlagen, die fertig werden, will UPM peu à peu in Betrieb nehmen. „Dafür werden die Aggregate zunächst mit Dampf und Wasser getestet, ob sie den Drücken standhalten, alle Ströme funktionieren. “Wenn sie den Test bestehen, beginnen Versuche mit Holzprodukten. 

Die erste Ladung Buchen ist im November bereits in Leuna eingetroffen. Die Holzverarbeitung wird der erste Part sein, der in den Testbetrieb geht. Hier werden künftig Stämme von ihrer Rinde befreit und zerkleinert, damit sie später in Reaktoren in ihre Grundstoffe zerlegt werden können.

Buchen werden nicht extra gefällt

UPM betont, dass für die Raffinerie nicht extra Bäume gefällt werden sollen. Das Holz will der Konzern regional einkaufen – in Form von Sägewerksabfällen und als Stämme aus der Waldpflege: „Durch den Waldumbau in Deutschland seit den 1980er Jahren fällt immer mehr Laubholz an. Bei der Pflege werden nach 20 bis 30 Jahren und auch später nochmal Bäume entnommen, damit andere Platz zum Wachsen haben. Diese Bäume werden wir verwenden“, erläutert Duetsch. Für die Verarbeitung entstehen zwei Produktionslinien. In der einen wird Lignin zu Füllstoffen aufbereitet, die etwa Ruß als Färbemittel in Reifen ersetzen könnten. Bei der Produktion des Lignin-Füllstoffes würde dabei laut Duetsch 90 Prozent weniger CO2 verursacht. Die zuckerhaltigen Baumstandteile will UPM in der zweiten Linie zu Monoethylen- und Polypropylenglycol aufbereiten. Ausgangsstoffe, die beispielsweise für die Herstellung von PET-Flaschen, Autobatterien oder Enteisungsmittel benötigt werden. Die Einsparung an CO2 gegenüber klassischen Einsatzstoffen liege hier bei mindestens 60 Prozent, sagt der UPM-Geschäftsführer.

UPM plant Industriepark in Leuna

Ein Industriepark für Biochemie soll in Zukunft entstehen

Duetsch erwartet ein großes Kundeninteresse an den gut 220.000 Tonnen biobasierter Chemikalien, die sein Unternehmen künftig in Leuna produzieren will. So entwickle man etwa mit Gummiherstellern nachhaltiges Gummi. Die UPM-Bioraffinerie soll in Leuna aber nur der erste große Aufschlag hin zu einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Chemie sein. Der Saalekreis verfolgt im Zuge des Strukturwandels gleich zwei Großprojekte, die in diese Richtung zielen. Das eine ist ein Wissenschaftszentrum mit Schwerpunkt auf Bioökonomie. Das andere ein neues Industriegebiet direkt neben dem bestehenden Chemiestandort. 


ROBERT BRIEST

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