Der dickste Fisch im ganzen Land: Intel investiert in Nano-Chip-Werk bei Magdeburg

Anfang November war Intel-Chef Pat Gelsinger auf Stippvisite im Magdeburger Stadtzentrum. FOTO: DPA, KOLLAUTZ, FREIGEIST GMBH

Zukunftsland Sachsen-Anhalt

Der dickste Fisch im ganzen Land: Intel investiert in Nano-Chip-Werk bei Magdeburg

Der amerikanische Chip-Gigant Intel wird vor den Toren Magdeburgs 17 Milliarden Euro in ein neues Werk investieren. Im kommenden Frühjahr soll der Bau beginnen.

Nach langer Suche hat sich der Chip-Gigant Intel für Magdeburg entschieden, um hier zwei hochmoderne Fabriken mit 3.000 Jobs hochzuziehen. Investitionsvolumen: 17 Milliarden Euro. Es ist der dickste Fisch, den Sachsen-Anhalt je an Land zog. Geplanter Baustart: erstes Halbjahr 2023.

Intel plant neues Werk in Magdeburg

Bis zu 7.000 Bauleute werden erwartet. Die Produktion soll 2027 starten. Danach kann und will Intel die Produktion auf bis zu acht Fabriken erweitern. Das Gewerbegebiet „Am Eulenberg“ im Südwesten der Landeshauptstadt liegt nahe an der Autobahn 14 und bietet genügend Platz. 450 Hektar, also viereinhalb Quadratkilometer, so viel wie 620 Fußballfelder. „Es ist flach, quadratisch, altlastenfrei und erdbebensicher“, lobt Intels Deutschland-Chefin Christin Eisenschmid die Vorzüge des Standorts. 

„Das Gelände ist flach, altlastenfrei und erdbebensicher.“
Christin Eisenschmid, Chefin Intel Deutschland

Als Intel-Boss Pat Gelsinger Anfang November zu einer Stippvisite in Magdeburg war, äußerte er sich nicht gegenüber der Presse. Beim Stadtrundgang mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte er zumindest, er sei „excited to be in Magdeburg today and about our plans to bring leading-edge manufacturing to Germany“. Er freue sich also, in Magdeburg zu sein und Spitzenfertigung nach Deutschland zu bringen.

Investition in schwieriger - Lage auf dem Weltmarkt

Das wird für die Amerikaner kein leichter Gang. Bei Intel ging im vergangenen Vierteljahr der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein sattes Fünftel zurück – und der Gewinn brach sogar um 85 Prozent ein. Grund der Misere ist, dass deutlich weniger Computer verkauft werden, bei deren Prozessoren dominiert Intel den Weltmarkt.

Jetzt muss der 61-jährige Gelsinger einen Sparkurs auflegen, zur Debatte stehen Stellenstreichungen und der Verkauf von Unternehmensteilen. Den Konzern beschäftigen aktuell die massiv steigenden Bau- und Energiekosten. Dafür wollen Intel, Bundes- und Landesregierung in einer Task-Force gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Herausforderung hatte Gelsinger unlängst gegenüber dem „Wall Street Journal“ so auf den Punkt gebracht: „Es ist, wie gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse zu treten.“ 

Was will Intel produzieren? Vor allem Chips für Laptops. Aber auch Auftragsproduktion für andere Hersteller will Intel anbieten – etwa Prozessoren für Fahrzeuge und Maschinen. Jeden Tag werden dafür künftig Tausende Wafer nach Magdeburg angeliefert – jene silbern glänzende Siliziumscheiben, auf denen die integrierten Schaltkreise aufgebracht werden.

Intel plant Produktion neuer Nano-Chips

Je kleiner Transistoren sind, desto mehr passen auf einen Chip. Das bietet Vorteile: Mehr Leistung, weniger Energieverbrauch und die Möglichkeit, Chips zu verkleinern. Derzeit arbeitet Intel vor allem mit Zehn-Nanometer-Transistoren. In Magdeburg will das Unternehmen die Zwei-Nanometer-Klasse bauen. Zum Vergleich: Ein Haar ist 50.000 Nanometer dick.

Etwa 50 Milliarden dieser Transistoren passen auf die Fläche einer Briefmarke. Wie bekommt man solche Winzlinge auf den Wafer? 

Ein Transistor besteht aus drei Halbleiterschichten. Diese Schichten werden erzeugt, indem mikroskopisch dünne Lagen bestimmter Materialien (wie Silizium oder Hafnium) immer und immer wieder aufgetragen und an bestimmten Stellen wieder weggeätzt werden. Auftragen, ätzen, auftragen, ätzen. „Das passiert Tausende Male“, sagt Christian Anderka, Leiter Technischer Verkauf Deutschland. „Ehe alle Chips auf einem Wafer fertig sind, dauert es etwa drei Monate.“ Gearbeitet wird rund um die Uhr, jeden Tag. Auch Heiligabend.

Entscheidend für die Produktion sind die Lithographiemaschinen, in denen die Schaltkreise auf die Chips belichtet also aufgetragen werden. Sie arbeiten mit extrem feinen UVLicht, Vakuum und hochreinen Spiegeln. Eine Maschine ist so groß wie ein Bus und kostet etwa 180 Millionen Euro. Allein die beiden ersten Magdeburger Intel-Fabriken benötigen 20 dieser Riesen.

Umfassende Hilfe von der EU, dem Bund und Sachsen-Anhalt

Die UV-Licht-Apparatur stammt vom deutschen Maschinenbauer Trumpf in Baden-Württemberg. Die Präzisionsoptik liefert Carl Zeiss in Oberkochen. Ein Spiegel der Anlage wird dort bis zu ein Jahr lang geschliffen und poliert, bis er fein genug ist. Die Chip-Produktion erfolgt in Reinräumen. Um die tonnenschweren Belichter aus dem niederländischen Veldhoven nach Magdeburg zu schaffen, werden sie für den Transport zerlegt und könnten per Tieflader oder Schiff in die Domstadt gelangen. Magdeburgs Hafen ist seit 2013 ganzjährig von allen Schiffsklassen befahrbar. Die Chipfabriken benötigen viel Wasser, weil die Wafer während der Produktion ständig gereinigt werden müssen. Die ersten beiden Fabriken brauchen voraussichtlich etwa 20.000 Kubikmeter Frischwasser am Tag, alle acht Fabriken künftig also mehr als 80.000 Kubikmeter – das ist der Tagesverbrauch von 275.000 Privathaushalten. Für die Versorgung gibt es mehrere Ansätze. Ein neues Wasserwerk an der Elbe mit einer elf Kilometer langen Leitung zu den Fabriken ist denkbar. Oder man zapft die Rappbode-Talsperre im Harz an. Denkbar ist auch, neue Brunnen in der Börde zu bohren.

Deutschland wird die 17-Milliarden-Investition mit 6,8 Milliarden Euro fördern. Weitere Gelder will die EU beisteuern, das dauert noch. In Brüssel dürfte es noch bis Mitte 2023 dauern, ehe das Parlament grünes Licht gibt. Damit der Spatenstich-Termin nicht wackelt, setzt sich Ministerpräsident Reiner Haseloff für einen „vorzeitigen Maßnahmebeginn“ ein. Berlin soll die erste Tranche schon jetzt freigeben, damit Intel ab 1. Dezember mit Grundstückskäufen und Bauvorbereitungen loslegen kann. Dann könnten schon mal die Archäologen anrücken, um das Gelände zu erkunden. 


JENS SCHMIDT

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