Wenn Christian Zeigermann über die Zukunft der Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode (GWW) spricht, dann klingt das nach einer Win-win-win-win-win-Situation. Wenn es nach den Plänen des GWW-Geschäftsführers geht, sollen möglichst viele vom „Mieterstrom“-Projekt profitieren, das bereits begonnen hat, aber noch weit in die Zukunft reichen wird: die Mieter, die weniger Geld für sauberen Ökostrom zahlen müssen; die GWW selbst, die sich als Vermieter attraktiver macht; die Stadtwerke, die hier Sonnenstrom erzeugen, ohne für die Nutzung der Dächer bezahlen zu müssen; die Stadt Wernigerode, die so für ihre Einwohner noch lebenswerter wird − und nicht zuletzt das Klima.
GWW will Nebenkosten für Mieter drücken
„Mich hat jemand gefragt: ‚Warum macht das noch keiner?‘“, sagt Zeigermann. „Da wusste ich auch keine Antwort.“ Denn der Plan ist so simpel und brillant, dass er sich förmlich aufdrängt: „Die Stadtwerke wollen weg vom Gas, und wir wollen die Nebenkosten für unsere Mieter drücken.“ Das lässt sich ganz einfach dadurch erreichen, dass auf den Plattenbaublocks der GWW Photovoltaikmodule montiert werden. Denn die Dächer sind ohnehin da, es gibt mehr als genug von ihnen. Insgesamt besitzt die GWW 53 Wohnblocks in den Wernigeröder Wohngebieten „Burgbreite“, „Stadtfeld“ und „Harzblick“. Ungefähr 7.500 der insgesamt rund 34.000 Wernigeröder wohnen bei der GWW.
GWW stellt Stadtwerken Hausdächer zur Verfügung – Strompreis für Mieter sinkt
Die Anlagen stellen ohne Dreck oder Krach billigen Strom her
„Diese Dächer stellen wir den Stadtwerken nach und nach in den nächsten Jahren kostenlos zur Verfügung, im Gegenzug bekommen unsere Mieter günstigeren Strom“, sagt Zeigermann. Mieterstrom halt. Der 51-Jährige gerät ins Schwärmen: „Unsere Dächer sind nicht verschattet, es sind Flachdächer, auf denen man die Module perfekt zur Sonne ausrichten kann - und man nimmt das Ganze von unten nicht wahr.“ Anders gesagt: PV-Anlagen stellen billigen, klimaneutralen Strom her, ohne dabei Dreck, Krach oder Schattenwurf wie eine Windkraftanlage zu erzeugen. Die Mieter der betroffenen Blocks zahlen dafür 10 Cent weniger, als die Grundversorgung bei den Wernigeröder Stadtwerken kostet. Das sind ab dem nächsten Jahr attraktive 30 statt 40 Cent pro Kilowattstunde bei einem Grundpreis von 120 Euro im Jahr. Dieser Abschlag mildert dann auch die erhöhte Kaltmiete. Denn die Solaranlagenwerden nur auf Gebäuden verbaut, die auch frisch energetisch saniert sowie mit einem Fahrstuhl versehen sind − und bei denen das Dach auch für mindestens 20 Jahre dicht ist. Hier zahlen die Mieter 8 statt der in der „Burgbreite“ sonst üblichen 6 Euro kalt.
Drei bis vier Blocks der GWW sollen − so ist die Planung − jedes Jahr mit den dunkel schimmernden Solarplatten belegt werden. Bei mehr als 53 Plattenbauten wird es eine ganze Weile dauern, bis alle 2.500 GWW-Wohnungen mit günstigem Mieterstrom versorgt werden können.
Erste Photovoltaikanlage auf GWW-Gebäude bereits installiert
Der erste Schritt aber ist schon gegangen: Rund 500 Quadratmeter Dach in der Dr.-Jacobs-Straße in der „Burgbreite“ wurden mit 178 Solarmodulen belegt. Sie besitzen eine Maximalleistung von 66 Kilowatt und können damit etwa 61.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen. Für diese erste Photovoltaikanlage haben die Stadtwerke nach eigenen Angaben rund 100.000 Euro investiert. Das spart rund 30 Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Um die gleiche Wirkung zu erzielen, müsste man etwa 2.300 Bäume pflanzen.
Noch bleibt nur rund ein Drittel des erzeugten Stroms in den Häusern, da es keine Speicher gibt. Die restlichen zwei Drittel werden zugeliefert und sind laut dem Wernigeröder Energieversorger auch reiner „Naturstrom“. Die produzierte Energie, die von den Mietern nicht gleich verbraucht werden kann, wird ins Netz der Stadtwerke eingespeist. „Aber“, sagt GWW-Chef Zeigermann, „wir könnten uns vorstellen, dass die Stadtwerke im Keller der Häuser auch eine Speichermöglichkeit einbauen.“
In den Plattenbaublocks sollen Junge, Alte und Familien leben
Zeigermann sieht das „Mieterstrom“-Projekt in einem größeren Zusammenhang. Ihm geht es auch darum, dass die städtischen Töchter zusammenarbeiten und damit für die Menschen in Wernigerode neue Angebote bieten. So will die GWW künftig mehr familientauglichen Wohnraum schaffen, an den sich private Vermieter nur selten rantrauten, weil sich kleinere Wohnungen leichter vermieteten und mehr Gewinn abwürfen, sagt Zeigermann. Er will, dass in seinen Blocks eine bunte Mischung aus alten und jungen Leuten sowie Familien entsteht. Hier komme dann auch die dritte städtische Tochter − die Gemeinnützige Gesellschaft für Sozialeinrichtungen − bei Betreuung und Pflege der Senioren ins Spiel. Je länger die Menschen in ihren eigenen Wohnungen leben könnten, so Zeigermann, umso mehr sparten alle: Die GWW behalte ihre Mieter, Staat und/oder Betroffene müssten nicht für die mehrere Tausend Euro teure Pflege in einem Heim aufkommen. Eine Win-win-win-Situation.
BU: Hier wird sauberer Sonnenstrom erzeugt: GWW-Geschäftsführer Christian Zeigermann auf einem Dach in der „Burgbreite“.
INGO KUGENBUCH
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