Die Gerste von morgen: Moderne Gentechnik vom Forschungsinstitut IPK Gatersleben

Der Forscher Robert Hoffie vom Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben. FOTO: ANDREAS STEDTLER, THOMAS RUTTKE, BARTHEL

Zukunftsland Sachsen-Anhalt

Die Gerste von morgen: Moderne Gentechnik vom Forschungsinstitut IPK Gatersleben

Mit neuen Verfahren entwickelt Robert Hoffie die Pflanzen der Zukunft. Die sollen resistenter sein als ihre Vorgänger. Doch das Label „Gentechnik“ bremst den Fortschritt.

Auf den hellbraunen Knubbeln in der Glasschale bildet sich bereits etwas Grün. Robert Hoffie dreht die Schale ins Licht. „Da sieht man schon die ersten Gerstensprossen“, sagt der Biotechnologe, der am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben (Salzlandkreis) forscht.

Gentechnik soll Gerstenvirus bekämpfen

Es sind besondere Pflanzen, die da auf der Nährlösung im Glasbehälter heranwachsen. Denn sie sind im Reagenzglas entstanden. Ihr Erbgut wurde verändert, um das für die Gerste verheerende Gelbmosaikvirus zu besiegen. „Bei Pflanzen führt es zu einem Ernteausfall von bis zu 50 Prozent“, erklärt Hoffie. Wer Gerste anbaut, will das Virus nicht in seinem Feld haben.

Bevor jetzt aber ganz in den Kampf gegen das Gelbmosaikvirus eingestiegen wird, erst einmal einen Schritt zurück. Robert Hoffie verändert das Erbgut seiner Pflanzen. Wer da an Gentechnik denkt, liegt ziemlich richtig. Wem allerdings in der Nacht leuchtende Getreideähren in den Sinn kommen, der ist falsch abgebogen. Die Techniken, die Hoffie und andere Wissenschaftler verwenden, werden zwar zur Gentechnik gezählt. „Allerdings funktionieren sie nach natürlichen Mechanismen“, sagt der junge Biologe. Und diese Verfahren könnten den Weg zur Ernährung der Zukunft ebenen, zu Pflanzen, die die steigende Weltbevölkerung satt machen und gegen Klimaextreme sowie Krankheitserreger resistent sind.

Ein Schnitt ruft die Magie in der Pflanzenzelle hervor

Das Instrument, das Forscher wie Robert Hoffie nutzen, nennt sich Genschere. Wie der dahintersteckende Prozess genau funktioniert, ist sehr komplex. Einfach gesagt, wird die DNA einer Pflanze - bei Hoffie ist das Gerste - an einer zuvor bestimmten Stelle zerschnitten. Solch eine Verletzung löst in Zellen Reparaturmechanismen aus. Und manchmal schleichen sich beim Reparieren Fehler ein - genau auf die wartet Robert Hoffie.

Solche Fehler passieren auch in der Natur. Sie bewirken, dass Pflanzen neue Eigenschaften bekommen. Auch in der klassischen Züchtung ist man darauf aus, Pflanzen zu finden, bei denen Fehler etwa dazu geführt haben, dass mehr Körner in der Getreideähre stecken. Mit der Genschere gibt es nun die Möglichkeit, zielgenau solche Fehler zu provozieren – was die Züchtung enorm beschleunigt. Bei der Gerste etwa geht es darum, ein bestimmtes Gen durch das Geschnippel auszuschalten. Forscher haben nämlich herausgefunden, dass das Getreide genau dann gegen das Gelbmosaikvirus resistent ist, wenn dieses Gen inaktiv ist.

„Letztlich liegt die Wahrheit bei der Pflanzenzüchtung auf dem Feld.“
Robert Hoffie, Biotechnologe

In der Realität sieht der Einsatz der Genschere ziemlich unspektakulär aus. „Im Prinzip pipettiere ich nur kleine Volumen klarer Flüssigkeiten“, sagt Hoffie. Er kippt also Flüssigkeiten ineinander. In der Pflanzenzelle geschieht dann die Magie. Und weil diese Magie auf Prozessen basiert, die in der Natur ohnehin geschehen, unterscheidet sich die Genschere stark von früheren Verfahren. „Damals übertrug man Gene aus einem in einen anderen Organismus“, erklärt Hoffie. Man bastelte sich also eine Pflanze zusammen. Das erregte in der Öffentlichkeit viel Widerspruch. Den Gegenwind bekam auch das IPK Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre zu spüren. Durch das beschauliche Gatersleben zogen Demonstrationen und Aktivisten zerstörten Versuchsfelder. 2012 gab es in Sachsen-Anhalt die deutschlandweit letzten Freisetzungsversuche von Genpflanzen.

Moderne Gentechnik aktuell auf Labore beschränkt

Mittlerweile ist der Anbau im Freiland in Deutschland verboten. Der Einsatz von Gentechnik - auch die Genschere, wie sie von Robert Hoffie verwendet wird - ist auf Labore beschränkt. „Dabei wäre der nächste Schritt, nach draußen zu gehen“, sagt der IPK-Wissenschaftler. In Versuchen habe er bereits beweisen können, dass seine erbgutveränderte Gerste gegen das Gelbmosaikvirus resistent ist - das entscheidende Gen konnte also ausgeschaltet werden. Und das, ohne dass dabei Einbußen beim Ertrag der Pflanzen entstanden. Doch die Hoffnung, dass sich am Verbot zeitnah etwas ändert, keimt nur so zart wie der Gerstenspross in der Glasschale. Auch neueren Methoden wie der Genschere haftet noch das Gentechnik-Label an. Damit verbunden ist eine Ablehnung, die politisch etwa bei großen Teilen der Grünen zu finden ist - wie Robert Hoffie aus unzähligen Diskussionen bei Twitter und in Präsenz weiß. Kritiker lehnen den Eingriff in das Erbgut von Organismen ab, da der Bauplan des Lebens so komplex sei, dass die Folgen eines solchen Eingriffs kaum abzuschätzen wären. Soll heißen: Wenn man die DNA verändert, könnte das Effekte haben, die nicht beabsichtigt waren und vielleicht sogar Schäden verursachen. 

Mehr Sachlichkeit und Bewegung in der Politik

So hitzig wie früher, sagt Robert Hoffie, werde die Debatte aber nicht mehr geführt. Er beobachte eine Versachlichung – und Bewegung in der Politik.

Auf EU-Ebene wird gerade intensiv über Änderungen bei der Gentechnik diskutiert. „Und auch in Deutschland muss das über 30 Jahre alte Gesetz zwingend erneuert werden“, findet der Forscher. Vielleicht könnte seine resistente Gerste so doch noch im Freien angebaut werden. „Denn letztlich liegt die Wahrheit bei der Pflanzenzüchtung auf dem Feld“, meint Hoffie.

BU: Der Forscher Robert Hoffie vom Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben


JULIUS LUKAS

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