Von Schiffen versteht Hermann Barthel was. Bis ins Jahr 1799 reicht die Tradition der von ihm geführten Barthel-Werft zurück. Nun ist er mit seinen 30 Mitarbeitern in Derben an der Elbe - auf halbem Weg zwischen Magdeburg und Stendal - einen großen Schritt in die Zukunft der Mobilität gegangen. Sie haben ein 20 Meter langes Schiff gebaut, das von Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin und vielen Konstruktionspartnern mit einem Elektroantrieb ausgestattet wurde.
Elektroschiff bewegt sich emissionsfrei
„Das Besondere daran ist“, so erklärt Projektleiterin Corinna Barthel (41, Tochter des Seniors), „dass der Strom mit Brennstoffzellen erzeugt wird, Energiequelle ist Wasserstoff.“ Energie liefern dem Schiff auch eine große Anzahl aufladbarer Batterien. Bis zu 400 Kilometer kann es so theoretisch fahren. Das auf den Namen „Elektra“ getaufte Schiff ist das weltweit erste emissionsfreie Kanalschubboot, ein Schiff, das Lastkähne vor sich herschiebt. Getankt werden soll „grüner Wasserstoff“, dessen Produktion also emissionsfrei erfolgte. Er wird auf dem Deck der „Elektra“ in sechs großen Tanks gelagert, sie prägen das Bild des Derbener Schiffes. Insgesamt 750 Kilo Wasserstoff werden gespeichert, die mit rund 500 bar unter Druck stehen. Von dort wird der Wasserstoff zur Stromerzeugung in die Brennstoffzellen geleitet. Ungewöhnlich auch, dass der Elektromotor auf dem Deck steht und über ein spezielles Getriebe den Propeller antreibt. Ein Schiff zu bauen, das diese neuartigen Antriebssysteme sicher aufnehmen kann, war die eigentliche Herausforderung für die kleine Derbener Werft. Viele Konstruktions- und Bauprobleme seien nur durch „learning by doing“ lösbar gewesen, so Corinna Barthel. Gerade für Ballungsräume ergebe das elektrische Antriebssystem Sinn, weil es frei von Schadstoffen ist und Lärmschutz garantiert, sagt Professor Gerd Holbach vom Institut für Schiffs- und Meerestechnik an der TU Berlin.
Entwicklung über mehrere Jahre
Seit 2015 reifte hier die Idee für das Projekt. In Derben fand man den erfahrenen Partner, mit dem schiffsbautechnisches Neuland beschritten werden konnte. Mit im Boot beim Elektroschiff ist auch die „Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft“. Sie ist der Betreiber der „Elektra“. Auf Berliner Gewässern wird sie nun seit Monaten erprobt. Wenn alles zur Zufriedenheit von Wissenschaftlern, Betreiber und Werft läuft, soll das Elektroschiff ab 2023 Fracht über Flüsse und Kanäle außerhalb von Berlin schieben. Bis nach Hamburg soll es künftig womöglich gehen - mit einem Zwischenstopp an einer noch zu bauenden Wasserstofftankstelle im Lüneburger Hafen.
HANS-ULRICH KÖHLER
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