Seit der Kohleausstieg in Deutschland beschlossene Sache ist, gibt es eine neue Verbundenheit der alten Reviere. Ob Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Sachsen: „Alle 14 Tage stimmen wir uns untereinander ab, halten uns über nächste Schritte auf dem Laufenden“, sagt Franziska Krüger, Chefin der Stabsstelle Strukturwandel in Sachsen-Anhalts Staatskanzlei. „Wir besuchen uns auch gegenseitig in den Revieren.“
Regelmäßige Treffen der Kohleländer
Bei der Premiere ging es zum länderübergreifenden Arbeitstreffen in die Lausitz – auch Sachsen-Anhalt war bereits Treffpunkt der Kohleländer. Alle wissen: Die Uhr tickt. Ende 2034 soll die Kohleverstromung in Sachsen-Anhalt enden, 2038 ist bundesweit Schluss. Um die wegbrechende Industrie zu kompensieren und neue Arbeitsplätze im Revier zu schaffen, fließen 4,8 Milliarden Euro allein in Sachsen-Anhalt. „Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir vom Planen immer mehr in die Umsetzung der Projekte kommen“, sagt Krüger. Sie koordiniert den Megaprozess des Revierumbaus mit Zieldatum 2038.
Zwar stehe das Revier noch am Anfang des Wandels - doch erste Infrastrukturprojekte zur Modernisierung werden laut Krüger jetzt nach und nach greifbar. 1,5 Milliarden Euro kann Sachsen-Anhalt selbstständig als Landesgelder ausgeben - „da haben wir im Moment 35 formal angemeldete Projekte“, sagt Krüger. 15 Infrastrukturprojekte seien mittlerweile offiziell vom Land bewilligt. Darunter sind erste Straßenbaupläne, aber auch die Entwicklung des Industrie- und Gewerbestandorts B6n in Köthen und eine Erweiterung des Chemieparks Leuna für 180 Millionen Euro. Auch schon bewilligt: Gelder für ein effizienteres Energiemanagement in der Stadt Zeitz.
Für das kommende Jahr sind viele Spatenstiche in Sicht
„Wir sind gut im Fluss“, glaubt Krüger heute, zwei Jahre nach der Gesetzesentscheidung zum Kohleausstieg. „Was ich mir für das kommende Jahr wünsche: mehr Spatenstiche“, sagt die Stabsstellen-Chefin. „Damit für die Bevölkerung vor Ort aus der Theorie sichtbare Praxis wird.“
Allerdings: Als Bundes- und Länderregierungen vor Jahren den gigantischen Umbau der Reviere einleiteten, planten sie ohne die folgenden, weltweiten Krisen. Der russische Krieg gegen die Ukraine lässt aktuell Energiekosten explodieren, die Corona-Pandemie stoppte globale Produktions- und Lieferketten der Industrie. Bis heute leidet die Weltwirtschaft unter diesen Störungen - niemand kann garantieren, dass geplante Projekte des mitteldeutschen Strukturwandels davon unberührt bleiben. Die Gefahr geht über steigende Baupreise hinaus. „Wir haben durch diese Entwicklung Unsicherheit in der Bevölkerung, aber auch in der Wirtschaft“, sagt Franziska Krüger der MZ. Schlimmstenfalls, so lautet die Sorge, könnten sich Unternehmen in solch einer Lage mittelfristig scheuen, im modernisierten Revier zu investieren und sich niederzulassen. „Das wäre ein Risiko“, so Franziska Krüger. „Wir können das noch nicht akut beobachten, aber die Gefahr ist natürlich greifbar, wenn die aktuelle Situation anhält.“ Sie betont auch: „Als das Milliardenbudget für die Reviere festgelegt wurde, haben wir Projekte geplant zu Preisen von vor zwei, drei Jahren.“ Damit stelle sich die Frage: „Was kann mit diesem Topf noch erreicht werden?“ Krüger sagt aber auch: „Wir haben im Vorfeld Planungsreserven einkalkuliert.“ Und: „Wir sind zu diesen Entwicklungen mit dem Bund in Gesprächen.“
Viele Projekte zum Kohleausstiegt stehen in den Startlöchern
Sachsen-Anhalts Stabsstellen-Chefin prognostiziert trotz allem, dass jetzt die Macher-Phase im Mitteldeutschen Revier beginnt. „Ich glaube schon, dass das Revier 2026 deutlich anders aussehen wird als heute. Da sollten viele Projekte bereits in die Fertigstellung kommen.“ Es werde aber verschiedene Geschwindigkeiten im Umbau des Reviers geben. „Die Projekte sind sehr unterschiedlich. In den Bereichen Stadtentwicklung, Denkmalpflege und Altstadtsanierung wird es schneller sichtbare Ergebnisse geben als bei großen Infrastrukturprojekten wie dem Industriepark Leuna.“ Zudem gebe es ja noch die großen Bundesprojekte, etwa im Zugverkehr. „Da zeigen die Vorplanungen, dass einige Großprojekte voraussichtlich erst 2031 starten können.“ Ein Beispiel sei die Verbindungskurve Großkorbetha, die künftig Merseburg und Leipzig per S-Bahn-Strecke verbinden soll. Es ist eines der größten Verkehrsvorhaben im Mitteldeutschen Revier. Von den Strukturwandel- Geldern im Bundesland werden neben dem Burgenlandkreis und Mansfeld-Südharz auch der Saalekreis, Anhalt-Bitterfeld und die Stadt Halle profitieren.
Sachsen-Anhalt pocht auf die nötige Vorbereitungszeit
Das übergeordnete Ziel der Landesregierung bei jedem Einzelprojekt: Der Großraum des alten Reviers soll ein neues Image als Industriestandort der Zukunft bekommen, der Geld- und Arbeitgeber lockt. Für Unruhe sorgen in der Staatskanzlei Ansagen aus der Bundesregierung, dass Deutschland möglichst schon 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen solle. „Für uns ist wichtig, dass wir weiter mit 2038 planen können“, sagt Krüger der MZ. „Wir brauchen einfach die Vorplanungsphase, wenn wir die positiven Effekte wollen.“ Sie betont: „Wir arbeiten alle unter Hochdruck.“
BU: Franziska Krüger leitet die Stabsstelle Strukturwandel in Sachsen-Anhalts Staatskanzlei.
JAN SCHUMANN
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