Wie schmeckt der Wein der Zukunft? Im nördlichsten Qualitätsweinanbaugebiet Deutschlands, der Saale- Unstrut-Region, dürfte man über wärmere Sommer, wie man sie zuletzt öfter erlebt hat, doch ganz glücklich sein, oder? Fast schon mediterranes Flair, da gedeihen die Trauben doch sicher wunderbar. Ganz abgesehen davon, dass mit den heißen Sommern auch enorme Trockenphasen einhergingen, die den Reben schaden können, ist die Sache natürlich nicht so einfach. „Der Klimawandel, den wir schon deutlich spüren, bringt auf jeden Fall Chancen mit sich: So können neue Rebsorten in hiesigen Breiten angebaut werden – hier reifen inzwischen etwa auch typisch südfranzösische Weine wie Merlot oder Cabernet Sauvignon“, sagt Jens Eckner, Weinbauleiter am Landesweingut Kloster Pforta. „Bei den Flächen, die sich für den Anbau eignen, rutschen wir immer weiter nördlich“, ergänzt er.
Wenn aus dem Müller-Thurgau ein völlig neuer Weintyp entsteht
Und dann kommt das große Aber: „Die klimatischen Veränderungen bedeuten für uns ohne Frage auch Risiken“, sagt Eckner, „zum Beispiel, dass ein hier lange etablierter Wein sein Aromaprofil verändert und für den Anbau auf bisherigen Flächen nicht mehr so gut geeignet ist.“ Man nehme etwa einen für die Weinregion so typischen Müller-Thurgau mit seiner ganz eigenen Feingliedrigkeit und Säure. „Wenn die Trauben infolge des Klimawandels letztlich immer reifer werden, entsteht ein völlig anderer Weintyp, der sich durch die stärkere Süße in den Trauben und einen somit höheren Alkoholanteil erklären lässt“, sagt Eckner, dessen Aufgabe es am geschichtsträchtigen Landesweingut auch ist, die typischen Weine von hier, den gewohnten Genuss also, zu bewahren.
Hinzu komme, dass eben nicht nur die Temperaturen steigen, sondern heute die Niederschläge ganz anders verteilt fielen. „Wir verzeichnen viel häufiger Extremwetterereignisse – seien es lange Trockenphasen oder andauernder Starkregen, bei dem das Wasser gar nicht sinnvoll in den Boden aufgenommen werden kann, was im schlechtesten Fall dazu führt, dass Boden weggeschwemmt wird“, berichtet er.
Landesweingut Kloster Pforta erforscht nachhaltigen Weinanbau
An dieser Stelle kommt ein Forschungsprojekt ins Spiel, das helfen soll zu ergründen, wie die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems Weinberg gegenüber den Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, verbessert werden kann. Insgesamt acht Partner aus der Forschung und der Praxis in Deutschland, Frankreich, Österreich und Ungarn – und darunter auch das Landesweingut Kloster Pforta – beteiligen sich am Projekt „LIFE VineAdapt“ zum nachhaltigen Weinbau als Anpassung an den Klimawandel. Dabei wollen sie beispielsweise herausfinden, wie sich die Weinberge nach Dürreereignissen besser wieder erholen können, wie der Düngemittelbedarf reduziert, die Tröpfchenbewässerung optimiert oder eine größere Vielfalt an Wildpflanzen und Insekten gefördert werden kann. Das auf fünf Jahre angelegte und noch bis 2025 laufende Projekt, das unter anderem von der Hochschule Anhalt wissenschaftlich begleitet wird, wird mit Mitteln aus dem Umweltprogramm „LIFE“ der EU sowie des sachsen-anhaltischen Landwirtschaftsministeriums finanziert.
Ein vielversprechender Ansatz sei die innovative Begrünung der Weinberggassen, sagt Jens Eckner: „Wir untersuchen zusammen mit elf weiteren Weingütern der Saale-Unstrut-Region, wie alternative Pflanzenmischungen zusammengestellt werden sollten, um positive Effekte zu erzielen.“ Wichtige Hinweise darauf habe das preisgekrönte Vorgängerprojekt „LIFE VinEcos“ gegeben. „Dabei wurde deutlich, dass sich extra angelegte Blühstreifen mit trockenheitsresistenten Wildpflanzenarten zwischen den Rebgassen positiv auswirken und im Vergleich zur Begrünung mit herkömmlichen Grasansaaten beispielsweise in Sachen Wasserverbrauch besser abschneiden“, so Eckner. Zudem fördern die heimischen Blühpflanzen die Artenvielfalt in den Weinbergen – etwa von Insekten wie Wildbienen und anderen Nützlingen.
Lange Historie des Landesweingutes als Verpflichtung sehen
Am Landesweingut, wo bereits rund ein Fünftel der 50 Hektar umfassenden Rebfläche aus solchen Blühstreifen besteht, will man die Begrünung weiter ausbauen. „Sie dient auch dem Schutz vor Bodenerosion“, sagt Jens Eckner. Einen weiteren Vorteil habe man ausgemacht: „Da diese Pflanzen weniger stark wachsen, ist der Pflegeaufwand und damit der benötigte Einsatz von Maschinen geringer, was den CO2-Ausstoß senkt“, so der Weinbauleiter des Landesweingutes Kloster Pforta.
Er ist der Überzeugung: „Die bis ins Jahr 1080 zurückgehende Geschichte unserer Weinberge bringt für uns die Verpflichtung mit sich, den kommenden Generationen intakte Böden und Weinberge zu übergeben.“ Dabei sei klar: „Wir müssen uns verändern und unsere Arbeit an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anpassen.“ Hinweise, welcher Weg dafür der richtige ist, hat man schon etliche gesammelt.
ANTONIE STÄDTER
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