Wie lässt sich Wind speichern? VNG-Forschungsprojekt zu Grünem Wasserstoff in Bad Lauchstädt
Wie lässt sich Wind speichern? VNG-Forschungsprojekt zu Grünem Wasserstoff in Bad Lauchstädt

Cornelia Müller-Pagel leitet bei der VNG die Abteilung Grüne Gase. FOTOS: ANDREAS STEDTLER, URBSCHAFT KLEINMACHNOW, DPA

Zukunftsland Sachsen-Anhalt

Wie lässt sich Wind speichern? VNG-Forschungsprojekt zu Grünem Wasserstoff in Bad Lauchstädt

Pilotprojekt: Grüner Wasserstoff soll die Antwort auf ein großes ungelöstes Problem der Energiewende sein. Ob die passt, wird bald in Bad Lauchstädt erprobt.

Kaum ein Landstrich zeigt so verdichtet die Gegenwart der deutschen Energieversorgung wie die Feldflur nördlich von Bad Lauchstädt (Saalekreis). Auf der einen Seite dampft das Kohlekraftwerk Schkopau. Auf der anderen Seite drehen sich drei Dutzend Windräder. Dazwischen verlaufen Leitungen zum Umspannwerk Bad Lauchstädt. Das wächst kräftig, um ein Rückgrat für den Stromtransport aus dem windreichen Norden der Republik in den Süden zu werden. Und dann stehen da noch auf halbem Wege zwischen der Goethestadt und Teutschenthal ein paar unscheinbare Firmengebäude der VNG.

Der Gaskonzern betreibt in 18 unterirdischen Hohlräumen im Umfeld einen der größten Erdgasspeicher des Landes. Die 19. Kaverne allerdings ist der Grund, weshalb sich auf dem Gelände zuletzt Spitzenpolitiker die Klinke in die Hand gaben, im Sommer sogar der Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zu Gast war. Der unterirdische Hohlraum, der von seinen Dimensionen her anderthalb Mal das Leipziger Völkerschlachtdenkmal fassen könnte, soll dabei helfen, ein wesentliches Problem der Energiewende zu lösen: Wie lässt sich Energie aus Solar- und Windanlagen in Zeiten des Überflusses speichern?

Großer Wasserstoffbedarf in der Chemieindustrie 

Die Antwort, die in Bad Lauchstädt in einer Pilotanlage erprobt werden soll, lautet grüner Wasserstoff. Das Farbattribut bezeichnet die Herstellungsweise. Bisher wird das farblose Gas überwiegen aus Erdgas gewonnen. Grauer Wasserstoff heißt dieser. Seine Herstellung ist nicht nur energieintensiv, weil sie hohe Temperaturen benötigt, sondern verbraucht eben auch fossile Rohstoffe. Grün bezeichnet CO2-neutral erzeugten Wasserstoff. In einem mit Ökostrom betriebenen Elektrolyseur wird Wasser in Wasser- und Sauerstoff aufgespalten.

140 MILLIONEN Euro soll der Bau des Energieparks Bad Lauchstädt kosten. 34 Millionen Euro gibt der Bund als Förderung dazu.

„In den kommenden zehn Jahren wollen wir hier beweisen, dass Wasserstoff die Energie der Zukunft ist, dass er nicht nur in großen Mengen produziert, sondern auch transportiert und gespeichert werden kann“, erklärte Projektkoordinatorin Cornelia Müller-Pagel im Vorjahr zum Start des Energieparks Bad Lauchstädt, der von einem Konsortium rund um die VNG entwickelt wird. 140 Millionen Euro soll er kosten. 34 Millionen steuert das Bundeswirtschaftsministerium aus seinem Förderprogramm „Reallabore“ bei. Von dem Geld sollen in zwei Schritten erst Anlagen für die Produktion und dann für die Speicherung von grünem Wasserstoff entstehen.

Voraussetzung ist der Bau eines Windparks mit acht bis zu 250Meter hohen Anlagen um das Autobahndreieck Halle-Süd. Der soll den Strom für den Elektrolyseur liefern, wird aber wohl erst zwischen Ende 2024 und Mitte 2025 in Betrieb gehen können, deutlich später als von den Investoren erhofft. Die sehen den Hauptgrund dafür im komplizierten Genehmigungsverfahren.

Wenn die bürokratischen Hürden überwunden sind und der Elektrolyseur läuft, soll der erzeugte Wasserstoff, bis der Speicher in Betrieb geht, komplett über eine umgewidmete alte Erdgaspipeline an den nahen Chemiestandort Leuna geliefert werden.

Der Wasserstoffbedarf der Chemieindustrie ist enorm. Zugleich verfolgt sie derzeit zwei Ziele: Decarbonisierung und Defossilisierung. Weniger CO2-Ausstoß, weniger Verbrauch fossiler Rohstoffe. Der Einsatz von grünem statt grauem Wasserstoff wäre ein Baustein dafür.

30 PROZENT des deutschen Wasserstoffbedarfs hofft der Bund durch grüne Produktion decken zu können.

Seit dem Frühjahr betreibt das noch junge Fraunhofer-Institut IWES mit Windkraft- und Wasserstofftechnik auf dem Standort das „Hydrogen Lab Leuna“. In dem können Firmen etwa Elektrolyseure testen. Direkt nebenan sitzt der Gaskonzern Linde AG, mit seinen Steamreformern bisher Großversorger des Standorts mit grauem Wasserstoff. Er ist gerade im Begriff mit einem der bisher größten Elektrolyseure der Welt am Netz zu gehen.

Wie der bisherige Standortchef Andreas Dietrich erklärt, läuft ein Teil der Anlage bereits, der Rest soll im Winter eintreffen und bis Frühjahr betriebsbereit sein. „Es ist alles ein Prototyp, deswegen sind die neuen Teile schon wieder anders aufgebaut.“

Entwicklung von grünem Wasserstoff noch in früher Phase

Die grüne Wasserstoffwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen - in sehr kleinen. Der Elektrolyseur von Linde etwa kann im Vollbetrieb nur ein Siebzehntel der Gasmenge der beiden benachbarten Anlagen liefern. Um die Produktionsmengen deutlich zu erhöhen, bräuchte es einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Der Standortbetreiber Infra Leuna hat überschlagen, dass nur um den Wasserstoffbedarf von Leuna zu decken, etwa die Stromleistung eines Atomkraftwerks benötigt würde. Cornelia Müller-Pagel rechnete zuletzt damit, dass es noch bis 2027 dauern werde, bis große Mengen grünen Wasserstoffs auf dem Markt verfügbar sind: „Derzeit sind viele Projekte in Planung.“

Erweiterung der Anlagen bereits jetzt fest eingeplant

Der Absatz wird letztlich auch vom Preis abhängen. Der ist derzeit noch drei bis vier Mal so hoch wie für grauen Wasserstoff. Die Verantwortlichen hoffen, dass sich die Lücke verkleinert, wenn etwa die Elektrolyseure zur Serienware werden. Das Konsortium um VNG hat für den Energiepark Bad Lauchstädt jedenfalls schon Erweiterungspläne in der Tasche. Für den Fall, dass die Nachfrage stimmt, soll die Produktionskapazität von 30 auf 200 Megawatt wachsen. Vizekanzler Habeck erklärte im Sommer, er rechne damit, dass Deutschland mit dem grünen Wasserstoff künftig zumindest 30 Prozent seines Bedarfs selbst decken kann.


ROBERT BRIEST

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