Modernste Impfstoffe vom neuen mRNA-Kompetenzzentrum von Wacker Biotech aus Halle

Melanie Käsmarker ist Geschäftsführerin des mRNA-Kompetenzzentrums in Halle, das der Wacker Konzern errichtet. FOTO: ANDREAS STEDTLER, BAUER FREIGEIST GMBH

Zukunftsland Sachsen-Anhalt

Modernste Impfstoffe vom neuen mRNA-Kompetenzzentrum von Wacker Biotech aus Halle

Gesundheit: Der Chemiekonzern Wacker baut in Halle ein mRNA-Kompetenzzentrum.

Eine Baustelle auf dem Weinbergcampus in Halle: Die große Baugrube ist ausgehoben, Kräne und Bagger arbeiten an den Fundamenten. Es entsteht ein viergeschossiges Gebäude, ein Bauschild zeigt seine Architektur. Hier wächst ein ungewöhnlicher Bau, ein Stück Zukunft. Seit Juli dieses Jahres baut der Chemiekonzern Wacker seinen Biotech-Standort für 100 Millionen Euro zum mRNA-Kompetenzzentrum aus.

Die Produktion von mRNA-Impfstoffen ist ab 2024 geplant

Zu den derzeit 130 Mitarbeitern sollen rund 200 weitere hinzukommen. Im Frühjahr 2024 wird in dem Neubau die Produktion von mRNA-Wirkstoffen beginnen. Das sei ein weiterer großer Schritt in der Erfolgsgeschichte der Wacker Biotech GmbH in Halle, sagt Geschäftsführerin Melanie Käsmarker. „Wir investieren mit dem mRNA-Kompetenzzentrum in eine Zukunftstechnologie und sind überzeugt, dass man schon bald mit mRNA-basierten Medikamenten viele Erkrankungen besser behandeln oder sogar verhindern kann.“ Mit dem Kompetenzzentrum bündele Wacker seine Kompetenz als mRNA-Hersteller.

„Wir investieren in Halle in eine Technologie der Zukunft.“
Melanie Käsmarker, Geschäftsführerin

Corona-Pandemie beschleunigt Entwicklung von RNA-Impfstoffen

Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie entwickelten mehrere Biotechunternehmen Vakzine gegen das SARS-CoV-2-Virus, dessen wesentlicher Bestandteil die Boten-Ribonukleinsäure mRNA ist. RNA-Impfstoffe bestehen aus einem exakten Bauplan spezieller Eiweiße des Erregers. In den Körper wird eine genetische Botschaft geschleust, die das Immunsystem aktiviert. Der Körper lernt spezielle Antikörper aufzubauen und ist bei einem tatsächlichen Corona-Angriff gewappnet (siehe auch „Abwehrstoffe“).

Firmen aus aller Welt bauen auf das Kompetenzzentrum in Halle.

Dieser mRNA-Impfstoff konnte zu Beginn der Corona-Pandemie so rasch entwickelt werden, weil Unternehmen wie Biontech bereits intensiv zu dem Wirkstoff geforscht hatten. Man könne mRNA-Impfstoffe überall dort einsetzen, wo im Körper Eiweiße fehlerhaft funktionieren oder wo man Eiweiße braucht, um das Immunsystem zu aktivieren, erläutert Melanie Käsmarker. Viel spreche dafür, dass mRNA-Therapeutika in naher Zukunft auch im Kampf gegen andere Krankheiten genutzt werden können, beispielsweise bei Infektions- oder Autoimmunerkrankungen.

Hoffnung auf mRNA-Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen

„Mit dem mRNA-Wirkstoff verbinden sich auch große Hoffnungen bei der Behandlung von Krebserkrankungen. Mit Hilfe einer mRNA-Impfung sollen Tumorzellen im Körper frühzeitig erkannt und bekämpft werden.“ Wacker Biotech ist ein Auftragshersteller, der in großen Mengen die Wirkstoffe produziert, die andere Pharmafirmen entwickelt haben. Das gilt bald auch für die mRNA-Therapeutika. „Biotech- und Pharmafirmen aus aller Welt interessieren sich für die Möglichkeiten, die das Kompetenzzentrum bietet“, sagt Geschäftsführerin Käsmarker. Ein Auftraggeber steht bereits fest: die Bundesregierung. Das Unternehmer hat sich dem Bund gegenüber verpflichtet, ab 2024 im Falle einer Pandemie gemeinsam mit dem Partner Corden-Pharma bis zu 80 Millionen mRNA Impfdosen jährlich herzustellen.

Der Vertrag läuft zunächst über fünf Jahre, mit der Option, ihn um drei Jahre zu verlängern. „Das zeigt, welche Kompetenz wir haben.“ Was heute Teil eines großen Chemiekonzerns ist, begann im Jahr 1999 als kleines Startup, 2005 wurde die ScilProteins Production gegründet, neun Jahre später stieg Wacker Biotech GmbH ein. Vor allem seit dieser Übernahme sei viel Kraft und Kompetenz in die Proteinherstellung gesteckt worden, beschreibt Geschäftsführerin Käsmarker die Firmenentwicklung. „Jetzt gehen wir mit dem mRNA-Kompetenzzentrum den nächsten Schritt.“ 

Die Managerin lobt auch den Investitionsstandort, er sei ideal. Halle und der Weinbergcampus böten ein hervorragendes Umfeld für ein solches Projekt. „Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren auf engstem Raum.“ Auf dem Areal zwischen den Stadtteilen Kröllwitz und Heide-Süd ist der größte Technologiepark Ostdeutschlands mit rund 6.000 oft hochqualifizierten Arbeitsplätzen entstanden. Naturwissenschaftliche Institute der Universität, die Uniklinik, renommierte Forschungseinrichtungen, Startups und Firmen wie Wacker profitieren voneinander. 

mRNA-Kompetenzzentrum in Halle sucht Spezialisten

Spezialisten werden dringend gesucht Die neuen Anlagen im mRNA-Kompetenzzentrum müssen höchsten Ansprüchen genügen, der beauftragte Generalunternehmer Exyte hat sich auf Halbleiter- und Pharmaanlagen spezialisiert. Experten müssen nun mit Hilfe anderer Wacker-Standorte das Know-How für die neue mRNA-Technologie in Halle aufbauen. 

Das aktuelle Geschäft darf nicht beeinträchtigt werden. Und das Management muss bis zum Produktionsstart rund 200 Mitarbeiter einstellen. Melanie Käsmarker: „Wir suchen Mitarbeiter in allen Bereichen: Laboranten, Pharmakanten, Mitarbeiter in der Produktion und der Qualitätssicherung, Experten aus der Biotechnologie.“ Aber auch Quereinsteiger seien willkommen. Die Gefahr, dass man bei so vielen Aufgaben in Verzug gerät, bestehe nicht. „Wir liegen komplett im Zeitplan“, versichert sie. 


WALTER ZÖLLER

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Wirksame Abwehrstoffe

Geschäftsführerin Melanie Käsmarker gibt einen Schnellkurs, wie der mRNA-Impfstoff funktioniert: „Bisherige Impfstoffe sind meist aus Viruspartikeln zusammengesetzt. Bei einem mRNA-Impfstoff geht man zunächst einen gewissen Umweg. Diese Impfstoffe enthalten detaillierte Baupläne spezifischer Eiweiße des Erregers. Das sind die sogenannten Antigene. Beim Coronavirus handelt es sich um das Spike-Protein, welches wie kleine Pfeile aus der Oberfläche des Virus herausragt. Beim mRNA-Impfstoff werden Antigene über die Einstichstelle in das muskuläre Gewebe eingeschleust. Die Zellen fangen an, das spezifische Eiweiß zu bilden und es der Immunabwehr zu präsentieren. Das Immunsystem beginnt Antikörper zu bauen, entwickelt also Abwehrstoffe. Und es merkt sich, was zu tun ist, wenn eine solche Bedrohung auftritt. Infiziert sich der Körper mit dem Erreger, ist er bestens gewappnet und kann die Eindringlinge bekämpfen.“